Offene, aber sachliche Debatte zum Räumlichen Entwicklungskonzept der Stadt Salzburg – Stellungnahme von Planungsstadträtin Anna Schiester

Einige Mitglieder der Scientists for Future Salzburg haben eine Stellungnahme zum Räumlichen Entwicklungskonzept der Stadt Salzburg abgegeben, in der sie die geplanten Flächentausche unterstützen. Ein Prozent der Fläche der Grünlanddeklaration soll mit anderen Flächen vor allem im bezogen auf Naturflächen benachteiigten Norden der Stadt getauscht werden. Dazu gab es zum Teil heftige Proteste. Da die öffentliche Debatte nicht immer sachlich geführt wurde, baten wir Planungsstadträtin Anna Schiester um ihre Sichtweise, die wir hier gerne wiedergeben.

Stellungnahme von Planungsstadträtin Anna Schiester zum REK

1) Der wichtigste Punkt zuerst – Nachverdichtung, Umnutzung, Transformation

Rund 70 Prozent der künftigen Wohnentwicklung passiert im bestehenden Bauland. Wir setzen bewusst auf Nachverdichtung, Umnutzung und die Transformation vorhandener Gewerbeflächen – dort, wo die Infrastruktur schon besteht und keine zusätzliche Versiegelung entsteht.

Ein großer Teil entsteht durch die Reaktivierung brachliegender Betriebsareale, Mischnutzungen und Projekte, die Wohnen und Arbeiten verbinden. Logisch, weil: Man kann heute nicht mehr „einfach ins Grünland greifen“, wie es früher halt oft bequem war. Gleichzeitig ist Transformation und Nachverdichtung aber auch alles andere als einfach – im Gegenteil: Es sind anspruchsvolle Prozesse, die die Bereitschaft der Eigentümer, der Mieter, viel Abstimmung und Qualität brauchen. Aber genau dort liegt natürlich der Fokus. Alles andere wäre in Zeiten von Bodenschutz, Klimaschutz und knappen Flächen weder verantwortbar noch zeitgemäß.

2) Untergeordnet geht es um Flächen aus der Grünlanddeklaration

und auch das nur in einem sehr engen Rahmen: Rund ein Prozent (!) der Deklaration steht überhaupt zur Diskussion. Und das ausschließlich unter klaren Bedingungen:

Für jede Fläche, die aus der Deklaration gehoben wird, wird eine gleichwertige Fläche in derselben ökologischen Qualität wieder eingebracht, sodass weiterhin 57% der städtischen Fläche in der Deklaration sind. 

Wenn wir diesen Weg jetzt nicht gehen, dann wird der Griff in die Deklaration – und damit ihre tatsächliche Verkleinerung – nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Davon bin ich überzeugt.

3) Die soziale Realität in der Stadt ist eindeutig

Leistbarer Wohnraum IST Mangelware, und wenn wir hier nicht aktiv steuern, lenken und Boden mobilisieren, wird der Druck auf das Grünland so groß, dass spätere Generationen viel radikalere Eingriffe vornehmen werden müssen.

4) Strenge Kriterien – aktive Bodenmobilisierung für förderbaren Wohnbau, soziale Infrastruktur

Wichtig: Wir ziehen nur Flächen in Betracht, die für förderbaren Wohnbau und soziale Infrastruktur mobilisierbar sind.  Es gibt keine Herausnahme, die nicht an leistbares Wohnen und öffentliche Funktionen gebunden ist. Diese Herausnahmen sind verbindlich vertraglich abgesichert. Das bedeutet konkret

Eigentümer:innen müssen zusagen, dass sie ihr Grundstück zu Konditionen der Wohnbauförderung zur Verfügung stellen 
Sie müssen garantieren, dass dort ausnahmslos geförderter Wohnbau oder soziale Infrastruktur entsteht.
Ohne diese Verpflichtung gibt es keine Herausnahme aus der Deklaration. Wer spekulieren will oder Flächen nicht zu fairen Bedingungen freigibt, bleibt in der Deklaration.

Das Gesamtsystem des REK ist auf aktive Bodenmobilisierung angelegt. Viele Baulandflächen sind heute blockiert oder werden rein strategisch (oder spekulativ) gehalten. Mit dieser Strategie schaffen wir die Voraussetzung, wieder leistbaren Wohnraum zu ermöglichen und Spekulation zurückzudrängen.

4) Ein zentraler Punkt ist der Nord–Süd-Ausgleich … die Vergangenheit & die ÖVP

Salzburg ist historisch extrem unausgewogen: Der Norden trägt seit Jahrzehnten die Hauptlast der Wohnentwicklung, während der Süden nur zurückhaltend entwickelt wurde (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Die alte Idee, Menschen mit geringerem Einkommen sollen im dichten Norden wohnen, während der Süden weitgehend geschont wird – eine Position, die Herbert Fux vertreten hat und die in der schon unter Padutsch und Hüttinger zur großen Konfliktlinie mit ihm und letztlich zum Bruch geführt hat – ist heute schlicht untragbar.

In diesem Zusammenhang ist es schon bemerkenswert, wie die ÖVP jetzt versucht, sich als große Verteidigerin der Grünlanddeklaration zu inszenieren. Das ist – wir erinnern uns – jene Partei,

– die 1985 gegen die Deklaration gestimmt hat,

– die 2007 bei der Absicherung der Deklaration äußerst zurückhaltend war und erst im letzten Moment zugestimmt hat, und

– die in Ressortverantwortung Unterkofler selbst Flächentausch-Strategien verfolgt hat.

Dass sich die ÖVP jetzt als Schutzmacht des Grünlands darstellt, ist historisch schwer nachvollziehbar – wirkt vor allem: taktisch. Und ich halte das für unlauter.

5)  Wohnungsziele – vor dem Hintergrund der Verkehrssituation

12.000 Wohnungen in 25 Jahren, davon 5.700 in den ersten 10 Jahren. Zum Vergleich:  REK 2007 – 8.100 Wohnungen in 10 Jahren, REK 1992 – rund 8.500 Wohnungen in 10 Jahren.

Dass wir 12.000 Wohnungen vorsehen und damit (wie es das Land auch möglich macht) politisch überhöhen (Prognose: 10.000 Whg), hat auch mit der Verkehrssituation zu tun.

Bekanntlich wächst das Umland seit Jahren stärker als die Stadt – viele ziehen raus, weil sie sich Salzburg nicht mehr leisten können. Die Folge: mehr Pendelverkehr, mehr Stau, mehr Belastung. Indem wir die Wohnfunktion der Stadt stärken, denken wir Wohnen, Verkehr, Klima und Bodenpolitik zusammen. Zumindest ein Beitrag, um die Dynamik in der Region stabilisieren.

6)  Hot Spot & Entwicklungspotenzial: Schallmoos

Schallmoos zeigt besonders deutlich, wie wichtig ein abgestimmter Entwicklungsrahmen ist. Wir haben es mit Raben (Unternehmen) – wie schon damals bei Gebrüder Weiss – erneut mit einer Situation zu tun, in der sich ein Logistikbetrieb ansiedeln möchte. Und wieder stellt sich dieselbe Grundfrage: Ist eine großflächige Logistiknutzung verträglich? Wenn auch im Gewerbeschwerpunkt (niemand hat was Gewerbe. Aber Spedition ist etwas anderes) 

Wir prüfen gerade sehr genau, welche Möglichkeiten die Stadt hier hat und welche Spielräume es rechtlich noch gibt. Meine Haltung ist klar: ich will das hier nicht! 

Fix geplant starten wir Anfang 2026 einen großen Leitbild- und Masterplanprozess für Schallmoos – gemeinsam mit Planer:innen, Grundeigentümer:innen, der Bevölkerung und wichtigen Partnern wie der Salzburg AG etc. Wir haben jetzt schon mehrere konkrete Projektentwicklungsflächen in Arbeit – im Wohnbau, in der Transformation bestehender Areale und in Bereichen, die künftig eine sinnvolle Mischnutzung ermöglichen.

Schallmoos ist ein echtes Hoffnungsgebiet für zentrales Leben.

Wir wollen dort: zusammenhängende Grünräume, leistbaren Wohnraum, ein Stadtteilzentrum, eine verträgliche Mischung aus Wohnen und Arbeiten.

Ein Schlüsselprojekt ist die Nordspange – eine Rad- und Fußgänger-Verbindung, die die Gnigl, Schallmoos und Itzling besser und sicherer erschließen soll.

7)  Abschluss

Und zum Schluss: Ich mag diese Stadt wirklich sehr. Salzburg ist wunderschön. Aber man spürt, dass es für immer mehr immer enger wird: zu wenig leistbarer Wohnraum, zu wenig Platz für junge Menschen, zu wenig Bewegung in Bereichen, wo wir schon längst handeln müssten.

Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird Salzburg immer noch mehr zu einer Stadt, die man vielleicht gern besucht, aber in der man sich das Leben kaum mehr leisten kann.

Wir verlieren schon jetzt viele junge Leute, weil sie hier einfach keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Dabei sind es genau diese Menschen, die die Stadt tragen: in der Arbeit, in den Betrieben, in den Schulen, in der Pflege, in der Kultur.

Darum müssen wir uns bewegen.

Der Altstadtschutz ist wichtig – gleichzeitig stehen dort Wohnungen leer. Ganze Häuser, ganze Stockwerke. Das tut der Stadt nicht gut. Wir brauchen dort wieder Leben. Dasselbe gilt für die Grünlanddeklaration: Sie ist wertvoll, aber wenn wir sie nicht klug weiterentwickeln, dann wird sie irgendwann unter dem Druck des Wohnungsmarkts wirklich angegriffen werden. Und das wäre das Schlimmste – weil wir dann genau das verlieren würden, was wir heute schützen wollen.

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