NR-Wahl 2013: Angebote für die Fortschrittsverlierer

Österreich gilt nach wie vor als Land, in dem sich gut leben lässt. So kann in Kürze das Ergebnis der Nationalratswahlen zusammengefasst werden. Die Regierungsparteien haben zwar Stimmen verloren, doch auch wer Grüne, Stronach oder Neos gewählt hat, zählt – bei allen Unterschieden dieser Gruppierungen – wohl zu jenen, die sich in unsere Gesellschaft integriert wähnen. Anders jedoch jene gut 20 Prozent, die H.C. Strache ihre Stimme gegeben haben. Viele von ihnen fühlen sich offensichtlich als Fortschrittsverlierer einer Hochleistungsgesellschaft, in der Flexibilität, Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit sowie permanente Bildung zur Notwendigkeit geworden sind. Wie lassen sie sich ins Boot holen?
Straches populistische Ansagen etwa zur Verringerung der EU-Beiträge oder der Aussperrung von Zuwanderern sind kein Regierungsprogramm. Vermögenssteuern, die auch die FPÖ im Programm hatte, wären es wohl. Gleich wie die neue Regierung aussehen wird, an einigen Zukunftsaufgaben wird sie nicht herumkommen, allem voran an der Sanierung der Staatsfinanzen, um die Handlungsfähigkeit der Politik zu erhalten, wobei – über ideologische Grenzen hinweg – ein größerer Beitrag der Vermögenden und Besserverdienenden ratsam wäre. Auch um Zukunftsinvestitionen in Bildung, Gesundheit sowie eine Energiewende finanzieren zu können. Die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und die Einlösung der Verpflichtung zum Klimaschutz bleiben trotz neuer sozialpolitischer Herausforderungen aufrecht.
Generell brauchen wir Weichenstellungen, die die soziale Teilhabe aller garantiert und das Zukunftsvertrauen fördert, also eine Politik der Chancengerechtigkeit. Zukunftswege könnte ein an umfassender Lebensqualität statt allein an Wettbewerb und Wachstum orientiertes Wohlstandskonzept bieten. Eine „Kultur des Genug“ für alle materiell Abgesicherten wäre demnach zu verbinden mit einer „Kultur der Inklusion“, die sozial Benachteiligte einschließt, etwa durch Mindestlöhne sowie eine durch Qualifikationen fördernde Arbeitsmarktpolitik. Und dies in einer Phase sinkender Wachstumsraten.
Denn: Die Zeiten hohen Wirtschaftswachstums sind vorbei. Nicht weil wir so schlecht wirtschaften, sondern – im Gegenteil – weil wir so erfolgreich wirtschaften. Keine Volkswirtschaft kann unbegrenzt weiterwachsen. Das bedeutet nicht in Stillstand einzutreten, sondern den Weg der Transformation in Richtung neuer Zukunftsziele zu gehen: Einleitung der ökologischen Wende, mehr Zeitwohlstand durch Arbeitszeitverkürzung und Umsetzung neuer Arbeitszeitmodelle bei gleichzeitiger Verringerung der Einkommensunterschiede, eine hohe Qualität öffentlicher Leistungen, etwa ausgezeichnete Schulen, betriebliche und außerbetriebliche Gesundheitsvorsorge, frühzeitige Angebote der Integration sozial Benachteiligter, die fördern und fordern, schließlich ein Steuersystem, das auch die Vermögenden in die Verantwortung nimmt und den Menschen das Gefühl zurück gibt, dass es halbwegs gerecht zugeht in unserer Gesellschaft.

Hans Holzinger,  Pressemiteilung 1.10.2013

 

Hans Holzinger

Zukunfts- und Nachhaltigkeitsforscher, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg, 2010-2014 Lehrauftrag an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Autor und Vortragender, zuletzt erschienen: "Neuer Wohlstand. Leben und Wirtschaften auf einem begrenzten Planeten" (2012); "Sonne statt Atom. Robert Jungk und die Debatten über die Zukunft der Energieversorgung seit den 1950er-Jahren" (2013), "Von nichts zu viel - für alle genug" (2016), "Post-Corona-Gesellschaft" (2020). Forschungsschwerpunkte: Zukunft der Arbeit und sozialen Sicherung, globaler Ausgleich, neue Wohlstandbilder. Mitglied u.a. von Attac, Gemeinwohlökonomie,Global Marshall Plan Initiative, Südwind, Amnesty International.

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